1976
Schulferien! Mit 23, wie das geht ? Ich hatte die Aufnahmeprüfung für die Technikerschule in Karlsruhe bestanden und da gibt es halt auch die sechs Wochen Sommerferien. Dank Bafög stand einem langen Urlaubstrip nichts im Weg. Wir fuhren „Kastels“ (er war Hockeytorhüter) roten Golf Richtung Süden, Griechenland war schwer angesagt, Freiheit , Frauen, Sonne, Meer…. die Jugend Europas vereinigte sich an Griechenlands Stränden, da wollten wir dabei sein.
Über den berüchtigten Autoput führte uns die Reise nach Athen, genauer gesagt nach Piräus!
Das Auto blieb zurück, mit Rucksack und Zelt ging es auf die nächste Fähre nach Kreta.
Wir verbrachten nicht als einzige die Nacht auf Deck, bemerkenswert viele Holländerinnen hatten das gleiche Ziel. Die Nacht war kurz, aber schön, wie aufgeschlossen diese modernen Frauen waren. Es sollte ein unvergesslicher Urlaub werden, die Tage und Nächte an den Stränden Kretas zeigten uns: Europa hatte keine Grenzen.
2019
So, nun will ich’s noch mal wissen, gibt es das Griechenland meiner Jugend noch?
Ich werde mit Ina nach Griechenland, genauer gesagt nach Ikaria reisen. Diese Insel in der Nähe der Türkischen Küste ist mangels großer Traumstrände noch nicht von den „all inclusive“ Reisenden vereinnahmt worden. Ein weiteres Plus, sie ist eine „Blue Zone“, d.h. da werden die Menschen überdurchnittlich alt! Ob’s für uns was nützt, wird sich zeigen!
Wir werden ab Frankfurt nach Athen fliegen und dort auf den Spuren, nicht der Griechen, sondern meiner folgen. Was sich wohl seit der Olympiade 2004 verändert hat? Wir werden auf die Fährfahrt verzichten und fliegen nach zwei Tagen Athen nach Ikaria.
Tag 1 Bühl-Frankfurt-Athen
Wir haben mal wieder den richtigen Flug erwischt, müssen zwei Uhr nachts das warme Bett verlassen und über die vom Starkregen geflutete Autobahn jagen. Unsere Maschine wird um 7.05 Uhr abheben und sie wird nicht auf verschlafene Eisentäler warten. Dieses Mal haben wir die Variante Anfahrt mit dem eigenen Auto gewählt. Bei www.travel-parking.de kosten die knapp drei Wochen 98,10€. Da kann man den etwas schrulligen Parkwächter hinnehmen, der uns pünktlich zum Airport bringt. Ups, hier am Terminal 1 fliegen keine Ryanair Maschinen ab! Wir jagen über die weiten Gänge des Flughafens Richtung Bustransfer zum Terminal 2. Jetzt haben wir es doch geschafft, dass es noch ein bisschen eng wird. Es wird sich im Verlauf der Reise zeigen, dass es noch viel viel enger werden kann. Doch davon später. Wir müssen zum Unmut von Ina auf einen Morgenkaffee verzichten und verbringen die nächsten drei Stunden Flug hungrig und durstig auf Sitzen, die so hart sind wie Kirchenbänke.
Athen empfängt uns warm und sonnig. Am Automaten ziehen wir ein 72 Stunden ÖVN Ticket zu 22€ das Stück. Das war schlau gedacht, denn die einfache Tour Airport zum Zentrum kostet 10€. Also noch ein bisschen in der Stadt hin und her fahren= Schnäppchen gemacht! Es sollte anders kommen. Als geübte Reisende finden wir schnell unser Hotel Marble House. Wir checken ein und holen uns vom Rezeptionisten den ersten Restaurant Tipp.
Das war gleich ein Volltreffer, sehr leckeres Essen im Dio Dekares i Oka. Akropolis und Plaka sind ca. 10 min zu Fuß entfernt. Noch besser, in der Nähe des Hotels gibt es eine große Auswahl an Tavernen mit super leckerem Essen.
Die meisten Athenbesucher lassen sich in der Plaka abfüttern, so sind wir in den gut besuchten Restaurants allein unter Griechen. Am Abend bewundern wir mit vielen Anderen den Sonnenuntergang auf dem Akropolishügel.
Tag 2 Athen
Wir machen was alle tun, wir besuchen die Akropolis, Eintritt 20€ ,für mich Rentner gibt es 50% Ermäßigung. Trotzdem ganz schön teuer, zu sehen gibt es große Herden Besucher und viele Steine. Wir folgen dem Massenauftrieb und umrunden die Säulen.
Man sieht ja vor lauter Menschen die Säulen nicht!
Bei den Restauratoren sind offensichtlich auch Dentisten angestellt
Danach bekommt Ina ihre Kaffeeration, das macht sie einfach verträglicher. Es folgt eine Fleisch-und Fischbeschau im Zentralmarkt, hier ist noch das alte Athen zu spüren.
Es reihen sich eine Vielzahl von Verkaufsständen aneinander. Das kaum genutzte Parathineiko Marathonstadion bildet den Abschluss unseres Rundgangs ,anschließend fallen wir auf unser Bett, Marathon macht halt müde.
Die Asiaten posen und…
die Alten rollern nun auch schon!
Am Abend noch einmal essen bei den Einheimischen.
Tag 3 Athen wie der Traum von Ikaria zerplatzte und wie wir ihn wieder einfingen
Heute geht es, besser gesagt, fliegen wir nach Ikaria. Am Anfang läuft alles nach Plan: Frühstücken, Auschecken, rein in die Metro. Hier erleben wir die morgendliche Rusch Hour einer Großstadt, in Athen leben 50% der griechischen Bevölkerung. Wir haben Mühe, mit unseren Koffern in den überfüllten Waggon zu kommen, mit viel Körpereinsatz ergattern wir einen Platz an der Tür. Geschafft, wir kommen Ikaria ein bisschen näher, da der erste Schock! Inas Rucksack steht offen. Es fehlt offenbar nichts. Ich mache ihn zu, noch einmal Glück gehabt, bei uns wird aufgepasst! Von wegen, beim Aussteigen bemerke ich, mein Geldbeutel ist weg. Dabei habe ich ihn noch zur Sicherheit in die vordere Tasche gesteckt.
Mir rutscht das Herz in den untersten Teil der Hose und nimmt den Platz der verschwundenen Geldbörse ein……… Alles weg: Geld, Ausweis, Führerschein, Kreditkarten, Rentenausweis (HAHA). Bums, alles geplatzt, ohne Ausweis kein Flug, Schluchz, nix Ikaria!!!!!!!!! Was tun?? Der erste Polizist weist uns gelassen den Weg zur Touristenpolizei. Erkläre mal einem unter Schock stehenden den Weg durch eine fremde Stadt, wohin jetzt ? Wir haben keinen Plan. Auf der Straße fragen wir uns durch, leider kennt kaum ein Athener die Lage der Touristenpolizei.
Die Uhr tickt unbarmherzig.
Da, in einer Passage das Ziel unserer Panik. Der Polizist ist offensichtlich bestohlene, verwirrte Touristen gewöhnt, unser Leid perlt an ihm ab. Es gibt nur kurze Kommandos: „Kreditkarten gesperrt?“ „Nein?“ „Dann aber zackig!“ „Das Formular ausfüllen!“
Nach dem Ausfüllen, das letzte Kommando „ go to German Embassy!“
Die Uhr tickt…….
Wir fahren natürlich in die falsche Richtung. Eines wird uns klar, der Flug ist weg.
Google hilft, wir finden den Weg zur Botschaft. Uns öffnet ein entspannter, des Deutschen mächtigen Sicherheitsbeamter. Nach einem kurzen Sicherheitscheck empfängt uns eine nette Dame und erklärt uns, ein Ersatzpass geht mit einer Kopie des Ausweises schnell, ohne, na ja. Trotz Schockstarre fällt mir ein, hatte ich als Sicherheitsfanatiker nicht vor dem Kubaurlaub ein Foto von unseren Reisepässen gemacht? Smartphone und Laptops sind in Sicherheitsverwahrung, beim „Entspannten“
Die Uhr tickt noch immer……
Ich suche im Laptop, ich suche im iPhone …. da endlich finde ich die Reisepasskopie.
Schnell per mail an die“Nette“. Was ich nun noch brauche, ist ein Passfoto, das bekommen wir zwei Straßen weiter.
ticktack ticktack ticktack ticktack ticktack ticktack ticktack
Wieder rein in die Botschaft, beamtenuntypisch halte ich nach kurzer Zeit einen Ersatz-Reispass in Händen.
Wir stürzen aus der Botschaft und vor das nächste Taxi.
ticktack ticktack ticktack ticktack
Wir haben Glück und treffen auf Athen-Schumi. Er versteht sofort unser Problem und beruhigt uns, es könnte knapp reichen. Für die 38km brauche er ca. 40min das, Check in schließt in 42min
das passt. Der Airport rückt näher, die Uhr tickt langsamer, wir schaffen es, oder? Wir erreichen das Terminal, Tschüss Athen. Die 50€ hat sich Athen-Schumi verdient, schnelles Fahren und Zuspruch, ach wir lieben sie, die Griechen.
Turbo Einchecken, beim Sicherheitscheck durchgedrängt, wir haben es tatsächlich geschafft.
Das Gate ist noch nicht offen. Yes ,Ikaria wir kommen! Heute Abend gibt es eine blaue Zone, keine „blue Zone“. Oh, wir sitzen verkehrt herum und schauen auf zwei missmutige Bayerngesichter. Das haben wir gerade noch gebraucht. Ich schiele neidisch auf den fülligen Oberlippenbart der Frau und ich befürchte meiner würde nicht so dicht. Die Stewardesse erbarmt sich, wir dürfen die Sitze wechseln. Der Spaß kehrt zurück!
Was haben wir gelernt:
- In der Metro den Rucksack auf den Bauch schnallen!
- Den Geldbeutel niemals in der Hosentasche, egal ob vorne oder hinten
- die Papiere verteilen, nicht alles am selben Ort aufbewahren
- Kopien mitführen auf dem Handy, Cloud oder in Papierform
- sicher sind Bauchtaschen, da kommen die Langfinger nicht so einfach hin
- nach Möglichkeit überfüllte Verkehrsmittel meiden
Ist es dann doch passiert, möglichst rasch die Karten sperren. Es geht nach meiner aktuellen Erfahrung am schnellsten, wenn man die Kartennummern hat. (Was natürlich etwas blöd ist, wer tätowiert sich schon Kreditkartennummern aufs Handgelenk?) Ein aktuelles Passfoto ist auch nützlich.